Um die epidemiologische Lage im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu beurteilen, sind wir auf möglichst aussagekräftige und verlässliche Daten angewiesen. Dazu stehen bislang vor allem Meldedaten von Labors, Spitälern und weiteren Gesundheitsbetrieben zur Verfügung. Die Zuverlässigkeit dieser Daten ist jedoch wesentlich vom Testverhalten der Bevölkerung abhängig. Wegen der neuerdings verfügbaren Schnelltests hat sich dieses in letzter Zeit möglicherweise verändert.

Mit dem Abwasser, welches mittels PCR-Test auf Bestandteile des SARS-CoV-2-Virus überprüft wird, gibt es eine weitere Möglichkeit zur Beurteilung des Epidemieverlaufs.

Diese Methode hat den Vorteil, dass sie unabhängig vom Testverhalten der Bevölkerung ist. Zusammen mit den Daten der Testergebnisse ergibt sich dadurch ein aussagekräftigeres Lagebild. Auch können damit neue Virus-Mutationen oder andere, neu auftretende Erreger nachgewiesen werden. Dafür reichen Kleinstmengen im Einzugsgebiet einer Kläranlage aus. Die Abwassermessungen sind inzwischen so weit fortgeschritten, dass konkrete Aussagen über den epidemischen Verlauf möglich sind.

Das Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs (Eawag) und die École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) haben diese Methode mit Unterstützung der Gesundheitsdirektion für die Abwasserreinigungsanlage der Stadt Zürich («Kläranlage Werdhölzli») von Beginn der Pandemie an erarbeitet und veröffentlichen seit längerem die entsprechenden Daten.

Die Gesundheitsdirektionen der Kantone Zürich und Graubünden führen die Abwassermessung weiter. Diese Messungen erfolgen in Abstimmung mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG).

Das Messsystem eignet sich auch für einen längeren Zeithorizont: Nach der Pandemie kann es als Früherkennungsindikator für andere Erreger weiterverwendet werden.

Wenn klinische Tests nicht mehr flächendeckend und häufig durchgeführt werden (z. B. nach signifikanter Abnahme von Ansteckungen nach Impfkampagnen), kann die Analyse von Abwasser Hinweise geben, wo das Virus allenfalls doch noch oder erneut zirkuliert.

Eawag und EPFL begrüssen es sehr, dass die Kantone das Abwassermonitoring als eine von mehreren Hinweisen zur Beurteilung der Pandemie-Entwicklung beiziehen. Sie unterstützen die entsprechenden Stellen fachlich, damit die Datenreihen aus verschiedenen Regionen der Schweiz untereinander vergleichbar bleiben.

Der Kanton Graubünden testet zurzeit fünf Kläranlagen drei Mal die Woche. Die Kosten dafür betragen 15’000 Franken im Monat, ein im Vergleich zum Nutzen doch eher bescheidener Betrag.

Der Kanton Luzern wird aufgefordert, an diesem Projekt teilzunehmen und ebenfalls regelmässig Messungen an einigen Kläranlagen im Kanton durchzuführen, um so auch im Kanton Luzern verlässliche Aussagen über die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus machen zu können.