«Predictive Policing», was auf Deutsch mit «vorausschauende Polizeiarbeit» übersetzt werden kann und in Luzern als Teil des kantonalen Bedrohungsmanagements (KBM) umgesetzt wird, beinhaltet digitale und raumbezogene Prognoseverfahren, die das Ziel verfolgen, die Wahrscheinlichkeit, mit welcher Straftaten auftreten, vorherzusagen. Unterstützt durch den Einsatz von Software und gestützt auf die Analyse von digitalen Daten erhält die Polizei die Möglichkeit, bereits im Vorfeld Massnahmen zur Verhinderung der vorhergesagten Ereignisse zu ergreifen. Die Schweiz scheint im deutschsprachigen Raum Pionierin im Bereich «Predictive Policing» zu sein. Gemäss aktuellen Zeitungsartikeln von Zentralplus und der «Republik» werden immer mehr so genannte «Gefährder*innen» in Datenbanken erfasst, in der eigenen Wohnung aufgesucht und angesprochen, beobachtet, überwacht. Im Kanton Luzern steigt die Zahl der erfassten Personen seit der Einführung des KBM stetig, bis Sommer 2020 waren 458 Personen als «Gefährder*innen» registriert.

Doch «Predictive Policing» eröffnet den schweizerischen Polizeikorps nicht nur neue Chancen für die Kriminalprävention, sondern auch eine Reihe von Herausforderungen und Risiken. So werden das Gefahrenpotenzial von Personen und der Handlungsbedarf durch den Einsatz von Software eher überschätzt, und gleichzeitig stellt es für viele Polizist*innen eine Herausforderung dar, nachvollziehen zu können, wie die Risikobewertung potenzieller Gewalttäter*innen ermittelt wird beziehungsweise welche Algorithmen beziehungsweise deren Bewertungsparameter hinter einer Handlungsempfehlung stehen. Zudem findet bislang keine öffentliche Debatte statt über «Predictive Policing»-Programme.

Der Regierungsrat wird gebeten, folgende Fragen zu beantworten:

  1. Wird «Predictive Policing» im Kanton Luzern systematisch eingesetzt?
    1. Von welchen Berufsgruppen wird «Predictive Policing» im Kanton Luzern angewendet?
    2. Mit welchem Ziel wird «Predictive Policing» im Kanton Luzern umgesetzt?
    3. Worin liegt der präventive Nutzen des «Predictive Policings» im Kanton Luzern?
    4. In welchen Feldern wird «Predictive Policing» im Kanton Luzern angewendet (z. B. häusliche Gewalt, Hooliganismus, gewalttätiger Extremismus, Cybercrime)?
  2. Welches digitale Programm beziehungsweise welche digitalen Programme/Tools werden im Kanton Luzern zur Risikoanalyse eingesetzt?
    1. Wie und wo erfolgte die Beschaffung der eingesetzten Programme?
    2. Wer wurde für den Einsatz der Programme geschult und wie?
    3. Welche Kosten resultieren aus der Beschaffung dieser Programme?
    4. Hat der Kanton Luzern Kenntnis über die Berechnungs- und Einschätzungsmethoden der Programme? Wieso (nicht)?
    5. Werden die Daten aus dem Kanton Luzern an den Hersteller weitergegeben? Falls ja, was passiert dort damit?
  3. Wie beurteilt der Regierungsrat den Umstand, dass der Einsatz von Software zu einer Verzerrung des Ausmasses der Gefährdung, die von einer Person ausgehen kann, also zu einer Risikoüberschätzung, beitragen kann?
  4. Welchen Stellenwert nehmen die eingesetzten Programme in der polizeilichen Arbeit im Vergleich zur Fachexpertise des dafür ausgebildeten Fachpersonals ein?
    1. Inwiefern wirken sich die technologiebasierten Empfehlungen der Programme aus auf die Entscheidungsfindung, ob eine Intervention angezeigt ist?
  5. Gemäss der interkantonalen Fachstelle Schweizerische Kriminalprävention (SKP) umfasst ein kantonales Bedrohungsmanagement idealerweise die Aspekte gesetzliche Grundlagen, Zugriff auf Daten und Datenverwaltung, Risikoanalyseinstrumente und Analyseinstrumente zur Rückfallprognose, Krisenteam und Fallmanagement, Kontinuität sowie erfasste Themen und Phänomene. Wie beziehungsweise wo werden diese Bereiche im Kanton Luzern geregelt beziehungsweise umgesetzt?
    1. Inwiefern wird «Predictive Policing» in das revidierte kantonale Datenschutzgesetz (KDSG) aufgenommen?
  6. Plant der Kanton Luzern eine externe Evaluation der eingesetzten digitalen Risikoanalyse-Programme? Wann? Durch wen?