Das Recht, über den eigenen Körper zu entscheiden, gehört zu den fundamentalen Grundrechten eines jeden Menschen. Körperliche Massnahmen sind immer massive Eingriffe in die Selbstbestimmung und die Persönlichkeit einer Person, weitergehend als andere Grundrechtseinschränkungen, die eher abstrakte Ebenen betreffen (beispielsweise Einschränkung der Versammlungsfreiheit oder der Meinungsfreiheit). Deshalb benötigen körperliche Zwangsmassnahmen durch den Staat immer eine besonders hohe Legitimation beispielsweise durch eine unmittelbare Gefahr.

Genau aufgrund dieser grundrechtlichen Überlegungen ist es wichtig, dass Massnahmen zur Einschränkung der Pandemie, die den eigenen Körper betreffen (Impfungen, Tests), nicht mit Zwang durchgesetzt werden. Es besteht ein breiter gesellschaftlicher Konsens gegen einen Impfzwang in der Schweiz, auch wenn sich Impfungen als sehr nützlich erwiesen haben. Das Epidemiengesetz (Art. 22) sieht den Grundrechtseingriff durch ein Impfobligatorium nur für «besonders exponierte Personen» vor, «sofern eine erhebliche Gefahr besteht».

Ausgerechnet bei derjenigen Personengruppe, die von unserer Gesellschaft am meisten an den Rand gedrängt wird, soll dies nicht gelten: den abgewiesenen Asylsuchenden. Insbesondere sind diejenigen davon betroffen, welche sich aus Verzweiflung über eine zwangsweise Ausreise ins Heimatland der Wegweisung verweigern und dafür ein Leben nur mit Nothilfe in Kauf nehmen. Der Regierungsrat schlägt dem Bund in der Vernehmlassungsantwort zur Verlängerung der Covid-19-Verordnung Asyl von Ende April vor, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um zwangsweise Corona-Impfungen und -Tests durchzuführen, um abgewiesene Asylsuchende ausschaffen zu können. Der Bund wird demnächst über die Verlängerung der Verordnung entscheiden.

Uns stellen sich folgende Fragen dazu:

  1. Bei abgewiesenen Asylsuchenden besteht keine «erhebliche Gefahr» der Krankheit, auf jeden Fall keine höhere als bei anderen Teilen der Bevölkerung. Aus welchen Überlegungen heraus findet es der Regierungsrat trotzdem gerechtfertigt, in die körperliche Integrität von abgewiesenen Asylsuchenden einzugreifen und eine Corona-Zwangsimpfung vorzunehmen?
  2. Wie gewichtet der Regierungsrat dabei das Prinzip der Verhältnismässigkeit von Zwangsmassnahmen wie Impfungen und Tests? Insbesondere im Hinblick darauf, dass dabei vermutlich Gewalt (Fixierung, Fesselung) zur Anwendung kommen muss?
  3. In der Einschätzung darüber, wie verbreitet es ist, dass eine Wegweisung aufgrund einer Testverweigerung nicht durchgeführt werden kann, bestehen erhebliche Differenzen: Das Staatssekretariat für Migration spricht von rund einem Dutzend Fälle schweizweit, der Kanton hingegen schreibt, dass der Test «je länger je mehr verweigert wird». Worauf stützt sich der Kanton Luzern bei dieser Aussage?
  4. Inwiefern werden abgewiesene Asylsuchende über die ihnen zustehenden Rechte und auferlegten Pflichten im Ausschaffungsverfahren informiert?